Du wirst Dein Kind nie wieder sehen!
29. April 2020 | Dr. Helmut Venus
Du wirst Dein Kind nie wieder sehen!
Dr. Helmut Venus
29. April 2020
Nicht selten hört man in der Praxis diese zumeist an den Kindesvater gerichtete Drohung des anderen (das Kind betreuenden) Elternteiles. Oft kristallisiert sich ein nach wie vor im Hintergrund massiv schwelender Paarkonflikt der Kindeseltern heraus. Aber geht das denn wirklich? Kann etwa die das Kind betreuende Kindesmutter (auch der umgekehrte Fall wäre natürlich denkbar) dem Kindesvater den Kontakt zum gemeinsamen Kind verwehren? Das Recht auf persönliche Kontakte stellt ein allgemein anerkanntes, unter dem Schutz des Artikel 8 der Menschenrechtskonvention stehendes Menschenrecht dar, das einem Elternteil nur insoweit nicht zusteht, als die Kontaktrechtsausübung das Kindeswohl massiv gefährden würde. Der Zweck dieser Regelung ist es, die Bindung zwischen Eltern und Kind aufrecht zu erhalten, eine gegenseitige Entfremdung zu verhindern und dem nicht betreuenden Elternteil die Möglichkeit zu geben, sich von der Erziehung und dem Gesundheitszustand des Kindes zu überzeugen. Auch eine bereits eingetretene Entfremdung ist kein Grund, dem Kind oder dem nicht im gemeinsamen Haushalt lebenden Elternteil die Ausübung des Besuchsrechts zu versagen. Der Zweck des Kontaktrechtes liegt dann darin, die eingetretene Entfremdung behutsam und durch eine dem Kindeswohl entsprechende Ausgestaltung wieder abzubauen. Nur bei einer schwerwiegenden Gefährdung des Kindeswohls durch den nicht betreuenden Elternteil steht dieses Kontaktrecht nicht zu. Die einhellige Rechtsprechung geht aber davon aus, dass die gänzliche Unterbindung des persönlichen Kontakts zwischen einem Elternteil und seinem Kind jedenfalls die Ausnahme zu sein hat. Nach dieser Rechtsprechung sollte jede sich ohne Gefährdung des Kindeswohls bietende Möglichkeit einer Kontaktaufnahme genutzt werden. Nicht zuletzt spielt auch das Alter eines Kindes dabei durchaus eine gewichtige Rolle, die wir im Einzelnen in einer der folgenden Kolumnen gesondert aufzeigen werden. Die eingangs aufgeworfenen Fragen sind daher, wenn nicht eine massive Kindeswohlgefährdung mit der Kontaktrechtsausübung verbunden wäre, ganz klar und deutlich mit „nein“ zu beantworten.