Testamentserrichtung beim Schmied und nicht beim Schmiedl…
29. April 2020 | Mag. Herbert Lienhart
Testamentserrichtung beim Schmied und nicht beim Schmiedl…
Mag. Herbert Lienhart
29. April 2020
Unsere Kanzlei wird von den erwachsenen beiden Kindern eines Verstorbenen beauftragt, ihre Erbansprüche im Verlassenschaftsverfahren geltend zu machen. In der Verlassenschaftsabhandlung vor dem zuständigen Notar sind sodann gemeinsam mit uns auch zwei testamentarische Erben, die durchaus glaubwürdig vermittelt haben, dass es der Wunsch des Erblassers gewesen sei, sie als Universalerben einzusetzen, erschienen und haben ein diesbezügliches handschriftliches Testament vorgelegt. Auf genauere Befragung haben die testamentarischen Erben glaubwürdig ausgesagt, dass der Erblasser das Testament angesagt und einer der testamentarischen Erben dies nach seinen Angaben niedergeschrieben hätte und der Erblasser seine Unterschrift unter dieses „fremdhändige Testament“ gesetzt habe. Wie es sich gehört, haben diesen Vorgang drei Zeugen durch ihre Unterschrift bestätigt. Der Verstorbene hat das Testament nicht selbst gelesen, sondern wurde ihm dieses vom eigens beigezogenen „Sachverständigen“, der kostenlose Rechtsberatungen in allen Rechtsgebieten erteilt, vorgelesen. Auf genaueres Befragen haben die testamentarischen Erben glaubhaft angegeben, dass dieser Vorgang in der geschilderten Art und Weise erfolgt ist, weil der Erblasser selbst nicht lesen konnte.
Die testamentarischen Erben mussten zur Kenntnis nehmen, dass laut § 581 ABGB, wenn der Erblasser nicht lesen kann, ihm der Aufsatz von einem Zeugen in Gegenwart der anderen zwei Zeugen, die den Inhalt eingesehen haben, vorgelesen werden muss und von ihm bekräftigt werden muss, dass das Vorgelesene tatsächlich seinen letzten Willen darstellt. Der Schreiber des letzten Willens kann in allen Fällen zugleich Zeuge sein, ist aber, wenn der Erblasser nicht lesen kann, von der Verlesung des Aufsatzes ausgeschlossen. Nachdem die testamentarischen Erben darüber hinaus erklärt haben, dass der schriftliche Hinweis, dass das Testament dem Testator vorgelesen wurde, fehlt, mussten sie zur Kenntnis nehmen, dass das von ihnen vorgelegte Testament, zu dessen Errichtung sie eigens den bereits erwähnten „kostenlosen Rechtsberater“ beigezogen hatten, an einem wesentlichen Formgebrechen leidet! Daher mussten sie einer vergleichsweisen Einigung, bei der sie weit weniger erhalten haben, als sie erhalten hätten, wenn das Testament korrekt errichtet worden wäre, zustimmen.
Aus dem dargestellten G‘schichterl ergibt sich: Gehen Sie zur Errichtung eines Testamentes zum Schmied und nicht zum Schmiedl, wobei es sich beim Schmied um einen Rechtsanwalt oder Notar handelt. Der erwähnte Schmiedl hat mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit für seine Mithilfe bei der geschilderten Testamentserrichtung kein Honorar verlangt, mit ebenso an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit hat er auch den von ihm angerichteten Schaden nicht seiner Haftpflichtversicherung melden können, wie dies im Falle einer Fehlberatung die professionellen Rechtsberater, Rechtsanwalt und Notar, tun hätten müssen, meinen